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Transformation trifft Stadtlohn

Wie wird es bei Hülsta weitergehen?

03.11.2022 | 14:45

 „Tradition trifft Transformation“: Das Hülsta-Messemotto war gut gewählt, für alles, was nach der Hausmesse kam. In den aktuellen Schreiben aus Stadtlohn muss das Messemotto nun auch als Motto für die Sanierung in der vorläufigen Eigenverwaltung herhalten. Wie wird es in Stadtlohn jetzt weitergehen? Hülsta-Inhaber Dr. Thomas Knecht muss liefern. Am besten schnell.

 

Das Münsterland, es gilt als eine der Boom-Regionen in Deutschland. Hier ist die Welt noch in Ordnung: Fahrradwege, Arbeitsplätze, Lebensqualität. Die schlechten Nachrichten haben zuletzt aber auch das nordwestliche Westfalen erreicht, auch noch im Herzen des dort immer so starken Mittelstands. Im Frühsommer mussten die Inhaber des Borkener Textilherstellers Bierbaum einen harten Schnitt in der Belegschaft machen, nahezu die komplette Bettwäscheproduktion wird geschlossen in Borken. Der schon lange kriselnde Autozulieferer Borgers aus Bocholt ist nun auch pleite seit ein paar Tagen. Und, ja, bei Hülsta in Stadtlohn wurde nach einem langen und beschwerlichen Marsch durch eine lange Krise, an dem die ganze Branche über viele Jahre Anteil nahm, ebenfalls die Reißleine gezogen.

 

Seitdem Hülsta-Inhaber Dr. Thomas Knecht am 18. Oktober viele Rundschreiben – an die Handelspartner, an die Presse, an alle Partner – verschickt hat, ist die Unruhe groß. Die Erklärungen für den Gang zum Amtsgericht Münster per Rundschreiben halfen da wenig weiter. Corona, die „staatlich angeordneten Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung“, der Krieg in der Ukraine, die „handelspolitische Auseinandersetzung“ der EU mit Russland, die „Vervielfachung der Energiekosten“: Knecht verwies wirklich auf alle Auswüchse der multiplen Krisenlage. Am Ende stand dann Mitte Oktober: Ein Antrag auf Eigenverwaltung für die Hauptgesellschaft Hülsta mit Werken in Stadtlohn und Ottenstein und die zentrale Dienstleistungsgesellschaft Dihug. Das Amtsgericht Münster setzte den vorläufigen Sachwalter Dr. Christoph Morgen aus der Hamburger Kanzlei Brinkmann & Partner (040/22667-7) ein. Morgen war zuletzt Insolvenzverwalter der MV Werften und macht sich seit seiner Bestellung ein Bild der Lage. Sagen will er zur Lage in Stadtlohn bislang nichts. Für die Fachpresse ist Morgen nicht zu erreichen.

 

Es wird weiterproduziert bei Hülsta. Und das ist für Hülsta-Kunden und -Käufer erstmal wichtig. Hülsta steht, so schätzt der Flurfunk, noch allein in Deutschland bei mehr als 300 Händlern. So viele Flächen im Handel haben nicht viele. Demgegenüber steht ein Umsatzrückgang über viele Jahre, der eigentlich nicht wirklich zur Präsenz im Handel passt. Schon gar nicht zum Möbel- Boom der vergangenen Jahre, in dem Hülsta zwar oft ein paar Quadratmeter weniger in den Ausstellungen bestückt hat, aber eben immer noch sehr viele.

 

In der für 2020 veröffentlichten Bilanz steht ein Umsatz von 141 Mio Euro für die Gruppe. Seitdem wurde keine Bilanz mehr veröffentlicht. Aufgrund vieler Unterfirmen und Umfirmierungen und vor allem durch ein Gestrüpp aus Auslandsgesellschaften ist der tatsächliche Hülsta-Umsatz aber auch kaum mehr zu erkennen für den Markt. Auf 80 Mio Euro schätzt ein Stadtlohn-INSIDER das aktuelle jährliche Volumen noch. Ohne Gewähr. Kann auch noch mehr sein. Sind es noch über 100 Mio Euro? Tatsache ist: Hängen geblieben ist zu wenig unterm Strich, schon sehr lange.

 

Vor zehn Jahren stand Hülsta noch bei deutlich über 200 Mio Euro. Über die Marken- und Produktpolitik bei Hülsta kann man mit Großkunden lange sprechen. Echte Fans der Maßnahmen und Ideen der vergangenen Jahre fand man im Handel zuletzt zu wenige. Und doch haben fast alle auf Hülsta gesetzt. „Natürlich brauchen wir im Handel echte Marken. Und deshalb halten dem Thema ja auch jetzt viele die Stange, auch wenn keiner genau weiß, was jetzt kommt“, sagt ein Local Hero aus dem Mittelstand.

 

Tatsache ist: Auch Hülstas Alleininhaber Knecht hat keinen Weg rausgefunden aus den Markenrabattprospekten der Großfläche. Am 15. März hat Knecht – wohl mit dem Family-Office Drengenberg im Rücken – noch die Kommanditisten der Hülsta AG & Co. KG, Karl Hüls, Georg Hüls, Ludwig Hüls und Arnold Hüls rausgekauft – mit seiner Dr. Knecht No. 2 GmbH mit Sitz in Stadtlohn. Die Anteile liegen in der Dr. Knecht No. 1 GmbH; die Dr. Knecht No. 2 GmbH wurde am 19.10. in Conversio GmbH umbenannt.

 

Und was kommt jetzt? Knecht will zu seinem Plan für Hülstas Zukunft gerade nichts sagen. Vielleicht kann er auch nicht. In der Belegschaft ist die Unruhe groß, aber auch der Betriebsrat hält die Füße still. Es steht viel auf dem Spiel. Klar ist: Knecht muss schnell eine Lösung präsentieren, wenn er Hülsta als unabhängigen Hersteller im Markt halten will. Dass dieser, sollte der Plan aufgehen, eher exklusiver und selektiver agieren muss, liegt auf der Hand. Ein modernes Schnellboot mit innovativen Ideen Made in Germany, das müsste Hülsta werden, sagt einer. Der Tanker, der nur noch wenig wiegt, aber viel Platz frisst, passt wohl nicht mehr in die Zeit.

 

In die Karten spielt Knecht, dass die Alternativen dünn gesät sind – von Sudbrock über Loddenkemper bis RMW, bisschen Interlübke vielleicht, einige Italiener und Spanier. Das war‘s dann. Der Markenmöbelmarkt ist ausgedünnt. Und die vielleicht noch immer bekannteste Marke – der Wert der Markenrechte wird auf einen unteren einstelligen Millionen-Betrag geschätzt – ist mitten in der Krise mittendrin in der Krise.

 

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