Bilanz der Katastrophe
Ein Jahr nach der Flut
Ein Jahr nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und NRW kehrt bei den Möbelhändlern langsam Normalität ein. Ein Rundruf.
„Ein noch nie dagewesener Ansturm“, sei das gewesen, erinnert sich Ellen Franke. „Zeitweise hatte sich unser Umsatz verdreifacht.“ Verkauft wurde nur noch nach Termin. Das war etwa drei Wochen nach der Flutkatastrophe im Juli des letzten Jahres, die laut Schätzungen der damaligen Bundesregierung 30 Mrd Euro an Schäden verursacht hat. Bei Franke Einrichtungen in Bad Neuenahr-Ahrweiler konnten in dieser Zeit teilweise nur zwei Drittel der etwa 15 Mitarbeiter zur Arbeit. Sie halfen zu Hause, bei Freunden, kamen wegen unpassierbarer Straßen nicht zum Einrichtungshaus. Was es halt so für Gründe gibt, wenn einem die Lebensgrundlage buchstäblich unter den Füßen weggerissen wird. „Unsere Mannschaft hat Unglaubliches geleistet. Da waren oft Tage, da sind die Leute nach zwölf Stunden Arbeit noch irgendwo tätig gewesen“, berichtet Ellen Franke. Die Frankes – Ellen Franke und Ehemann Ingo – hatten mit dem Team jede Menge Schutt wegzuräumen, Strom ans Laufen zu kriegen, Hilfe durch Handwerker zu organisieren, mussten oft genug auch tröstende Worte für jemanden finden. Franke: „Logistisch und finanziell war das eine riesige Herausforderung.“
Rund 88 Kilometer Luftlinie sind es zwischen dem Möbelhaus in Ahrweiler und dem Garant-Händler Hubor & Hubor in Mettendorf in der Eifel. Als wir Inhaber Willi Hubor letztes Jahr erreichten, schätzte er den Schaden für seinen Laden auf mindestens 1 Mio Euro (INSIDE 1117). Diese Summe reicht allerdings nicht aus. „Alles in allem beliefen sich die Schäden auf zwischen 1,5 und 2 Mio Euro“, sagt Hubor heute. Die Versicherung zeigte sich zwar generell kooperativ – allerdings waren nur Schäden am Gebäude versichert. Inneneinrichtung und Maschinen gehörten nicht dazu. Ende letzten Jahres hatte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft die zu leistenden Schadenzahlungen auf 8,2 Mrd Euro beziffert. Mehr als 3 Mrd Euro der Zahlungen stehen noch aus, hieß es Anfang Juli.
„Wir haben gelernt, dass man das Kleingedruckte in den Verträgen gründlich lesen muss, am besten gemeinsam mit einem Profi“, sagt Hubor. Mögliche staatliche Hilfen werde man allerdings auch noch beantragen. „Bis Ende des Jahres sind unser Einrichtungshaus und die Möbelwerkstatt wahrscheinlich komplett wiederhergestellt. Aktuell sind es etwa 80 bis 85 Prozent des Betriebes.“ Noch heute ist er erstaunt, wie gut vieles über die Bühne ging. „Die Hilfsbereitschaft in den ersten Wochen war mega“, sagt Hubor. „Was unsere Partnerfirmen aus dem Handwerk da geleistet haben, das war gigantisch. Die standen sofort Gewehr bei Fuß“, sagt er. Auch die Industrie habe ihm als betroffenen Händler geholfen.
Bei den Frankes gibt es ähnliche Erfahrungen. Als alle nach dem ersten Schock Möbel bestellten, lief das Lager voll, stapelte sich bestellte Ware. Grund: Die meisten Häuser mussten erst fachmännisch in den Rohbau-Zustand versetzt werden, bevor an eine Wieder-Einrichtung gedacht werden konnte. „Wir mussten Möbel extern lagern, teils bei Herstellern“, so Ellen Franke. Seit ein paar Wochen werden die Möbel abgeholt. Gelernt habe man einiges durch die Flut. „Ich bin absoluter Fan der Digitalisierung geworden“, so Franke. Die Notwendigkeit, Verträge auch digital zu speichern, gehört dazu. Schließlich sind Frankes auch Vermieter: für einen Fressnapf, einen Kik und einen Depot-Markt. Letzterer ist seit letztem Montag wieder geöffnet, als Letztes der drei Geschäfte. Eine Erfahrung ist es, die sie heute sagen lässt, sie sei dankbar. „Nach dem Ahr-Hochwasser von 2016, von dem wir nicht betroffen waren, haben wir uns informiert. Und dann deutlich bessere Versicherungspolicen abgeschlossen.“ Gut 2 Mio Euro Schäden gab es, sie wurden von der Assekuranz beglichen. Für etwa 1.500 Euro mehr an Versicherungsgebühren hatte sich das Unternehmen unter anderem auch einen deutlich längeren Schutz für die entgangenen Mieteinnahmen erkauft: 24 statt sechs Monate waren so abgesichert. Zum Glück.