Zum Hauptinhalt springen

 

 

 

Zum Hülsta-Abschied

Ein Drama in so vielen Akten

11.06.2024 | 13:35
Platz für Neues: Die Hülsta-Kojen leeren sich

Mit Hülsta in Stadtlohn geht gerade ein Kapitel Möbelgeschichte zu Ende. Im Markt wird das ganz gemischt aufgenommen, im Handel mit einer gewissen Ratlosigkeit, in der Industrie recht gleichgültig.

Als im November 1974 die allererste INSIDE-Ausgabe erschien, war Rolf Benz auf dem Titel und Karl Hüls groß auf Seite 4. Es ging im Hülsta-Text der Kollegen damals um ein Test-Urteil für Hülsta-Wohnwände, das „wenig zufriedenstellend“ ausgefallen war. Es ging um die Reaktion von Hülsta-Boss Hüls, der gleich eine Dreijahres-Garantie als Reaktion einführte, und um ordentlich Begleitschutz des damaligen BVDM-Chefs Kurt Schmiedeknecht, der die damals schon so große Marke gegen die schlechten Test-Urteile, die durch die Presse gingen, verteidigte. Jetzt schließen wir das Kapitel – 50 Jahre später. Das 85. Jubiläum der neben Musterring bekanntesten Möbelmarke im Land wird maximal noch die Marke Hülsta feiern können nächstes Jahr, wenn sie denn dann in neuen Händen ist. Wovon man dringend ausgehen sollte.

Familie Seifert, immer wieder Familie Seifert (INSIDE 1182), zuletzt auch wieder Familie Krieger, wurden und werden als Bieter um die Markenrechte genannt. Dass der Marken-Deal mit XXXLutz fix sei, schien bereits klar. Zuletzt hörte man dann allerdings im Markt, dass nach wie vor nicht entschieden ist, wohin Hülsta-Investor Hauke Joachim Drengenberg die Marke verkauft. Von einem neuen Bieterprozess ist die Rede bei den einen. Andere sagen, den Bieterprozess wird am Ende ohnehin Nikola Seifert für sich entscheiden, da man in Wels nicht nochmal – nach Alno – eine der großen Marken ziehen lassen werde. Who knows?

Dass Dr. Christoph Morgen, Insolvenzverwalter der zuvor unter Hülsta und nun als MWS firmierenden Gesellschaften, später noch Ansprüche geltend machen könnte, ist nicht ausgeschlossen, allerdings ist davon auszugehen, dass Drengenberg und sein Team sich rechtlich gut beraten haben lassen. Im Markenregister ist jedenfalls noch nicht nachzuvollziehen, wohin die Reise geht. Dort ist nach wie vor die Hülsta-Werke Hüls GmbH & Co. KG als Markeninhaber eingetragen, doch kurz vor den Insolvenzanträgen Mitte April sollen die Markenrechte an eine der HJD Beteiligungsgesellschaft zugeordnete Projektgesellschaft übertragen worden sein.

Die Marke wird weiterleben, das ist sicher. Den Betrieb hat zum 1. Juni Verwalter Morgen mit Eröffnung des Verfahrens geschlossen. 280 Mitarbeiter sind am Ende nun betroffen. Es waren mal viele 100 mehr, die ungefähr jedes Jahr durch neue Dreingaben, Mehrarbeit und Verzicht dazu beigetragen haben, dass es Hülsta überhaupt bis ins Jahr 2024 geschafft hat. Und so muss man schon sagen, dass sich das eigentliche Drama in Stadtlohn über Jahrzehnte auf Gesellschafterseite und im Management abgespielt hat – auf dem Rücken der Beschäftigten.

Dem Handel wurde von den Hülsta-Lotsen immer wieder die Schuld gegeben: Preisverhau, Rabattorgel. Doch am Ende ist es keinem der Hülsta- Chefs der vergangenen zwei Jahrzehnte gelungen, ein Konzept mit Vision und im Schulterschluss mit den Inhabern auf die Beine zu stellen für den Markenriesen, das dann wirklich tragfähig war. Ein Drama. Der Vogel wurde dann von Dr. Thomas Knecht im letzten Akt abgeschossen. Knecht hatte erst mit Investor Drengenberg im Hintergrund die große Hülsta-Rettung ausgerufen und lieferte nicht – wurde dann selbst abgeschossen von Investor Drengenberg und durch Mike Hemmerich ersetzt, der selbst wiederum offenbar anders sprach als handelte. Am Ende war Hülsta dann final am Boden – und der Möbelhandel weint.

Viele haben Stadtlohn bis zum Schluss die Stange gehalten, auch wenn große Houses of Hülsta bei Porta oder anderswo schon lange eingerissen worden waren. Mehrere Tausend Kommissionen, manche sprechen gar von 10.000 Kommissionen, sollen im ersten Halbjahr noch offen gewesen sein. Kann das sein? INSIDER sagen: Top-Schätzung, ja. Manche Händler haben sogar versucht, für ihre Kunden zumindest produzierte Teile herauszukaufen. Oder dann auf andere Hersteller umzuberaten. Ziemlich offensiv hat vor einigen Wochen Giga/Lutz bei Lieferanten nach Hülsta-ähnlichen Modellen gesucht, wohl mit dem Ziel, diese auf der Giga-Messe im August zu zeigen. Alles schwierig.

In seinem bürgerlichen Muff mit Designanspruch und Markenklang, mit Systemprogrammen wie Multi Forma oder Gentis ist Hülsta kaum zu ersetzen. Designgrößen wie Siegfried Schelbach sind gefragte Leute gerade, um die letzten Umsatzhausnummern aus Stadtlohn neu zu verankern. Mehr noch: Schelbach ist gerade dabei, eine eigene Schelbach Design Kollektion für dieses Design-Segment zu implementieren, die passenden Lieferanten dazuzusuchen, die dann ihrerseits mit den Modelllizenzen in die Lücke stoßen können. Andere Designer und viele Hersteller werden aus vielen Richtungen gefragt, ob sie nicht was tun könnten.

Hersteller wie Hartmann haben sich im Wohnen schon früh im vergangenen Herbst in Stellung gebracht. RMW und Sudbrock sind als prädestinierte Alternativen im Markt schon so breit, dass sie kaum weiter profitieren können oder auch wollen. Spricht man mit Händlern, die gerade auf der Suche sind, sagen die einen, der Kuchen werde wohl aufgeteilt und aufgesaugt – von Musterring hier, Team 7 dort, Venjakob hier, Voglauer dort. Andere sagen: Der Zug fährt nun nach Italien, zu Herstellern, die einen deutschen Vertrieb hätten. Steen Sandberg steht mit Madia Craft im Wohnen, Speisen und Schlafen parat. Einige andere auch. Um was geht es? 2023 hat Hülsta wohl guten Schätzungen zufolge noch 40 Mio Euro Umsatz gemacht. Vielleicht bleiben 20 Mio Volumen über – verteilt auf viele. Was für ein armes Ende.

Login

Hier zum Newsletter anmelden:

Zur Aktion: Jahres-Abo 2026