
Weniger Kunden, höhere Warenkörbe: Andreas Hoerning, Delia Fischer
Wie nahezu die gesamte E-Commerce-Branche erlebte Westwing in den Pandemiejahren eine sehr dynamische Entwicklung. Der Umsatz stieg von 267 Mio Euro im Jahr 2019 auf beeindruckende 522 Mio Euro im Jahr 2021. Diese positive Entwicklung stärkte den Optimismus des damaligen CEOs und Gründers Stefan Smalla, das ambitionierte Ziel von einer Milliarde Euro Umsatz bis 2025 zu erreichen. Ab 2022 folgte jedoch die Ernüchterung: Die wirtschaftliche Abschwächung führte zu einer sinkenden Nachfrage und drückte die Umsätze auf das Niveau von 2020 zurück. Diese Rückschläge sind jedoch nicht allein auf externe Faktoren zurückzuführen. Managemententscheidungen verstärkten den Abwärtstrend erheblich.
Trotz rückläufiger Umsätze setzte Westwing weiterhin auf Personalaufbau, was den Kostendruck erheblich erhöhte. Die EBITDA-Marge geriet entsprechend unter Druck und fiel im ersten Quartal 2022 auf -1,5 Prozent, nachdem sie im Vorjahr noch bei 14,2 Prozent gelegen hatte. Und das, obwohl der Umsatzanteil der margenstarken Westwing Collection stark gestiegen ist. Inmitten dieser Phase kündigte auch noch CEO Smalla seinen Rücktritt mit einer Frist von lediglich zwei Wochen an. Auch wenn dieser Schritt zu einem ungünstigen Zeitpunkt kam, bot er Westwing die Gelegenheit, strategische Weichen neu zu stellen und bestehende Strukturen kritisch zu hinterfragen.
Die zügige Ernennung von Andreas Hoerning, dem damaligen Chief Commercial Officer, zum CEO brachte zunächst Stabilität in die Unternehmensführung. In den folgenden zwei Jahren gelang es Hoerning, Westwing zu konsolidieren und die Geschäfte so zu steuern, dass das Unternehmen 2023 ein Wachstum im DACH-Markt erzielte, das über dem Branchendurchschnitt lag. In einer Präsentation für die Aktionäre im März 2024 hob Westwing hervor, dass 2023 das Jahr des Turnarounds darstelle. Ein Wendepunkt, der durch eine strikte Fokussierung auf Margen, Kostendisziplin und gezielte strategische Initiativen erreicht wurde. Diese Fortschritte blieben am Kapitalmarkt bis jetzt weitestgehend unbeachtet und die Aktie bewegt sich seit dem Sommer 2022 hauptsächlich seitwärts. Dies gibt Anlass, die jüngsten Entwicklungen von Westwing genauer zu betrachten: Hat der von Hoerning eingeleitete Turnaround tatsächlich gegriffen? Ist die Westwing-Aktie unterbewertet, so wie es einige Analysten schreiben? Welche strategischen Veränderungen haben dazu beigetragen – und welche Herausforderungen bleiben bestehen?