Egger
Der Sortimentsarchitekt Monhoff sagt Servus

Klaus Monhoff hat sich dazu entschlossen, den Holzwerkstoff-Riesen Egger mit Sitz in St. Johann in Tirol in Richtung Ruhestand zu verlassen. Nicht heute, nicht morgen, aber kommendes Jahr. Wir haben Monhoff und seinen Nachfolger, Matthias Wombacher, zum Interview getroffen. Statt uns im gewohnten Besprechungsraum zu treffen, sind wir gemeinsam gewandert. Hoch auf 1.300 Meter – auf die Angerer-Alm in St. Johann, mit Blick aufs Inntal.
Ein Dienstag Mitte März. Das Gespräch mit Klaus Monhoff, langjähriger Leiter des Design- und Dekormanagements bei Egger, und seinem designierten Nachfolger Matthias Wombacher steht an. In München hat längst der Frühling Einzug gehalten. Am Wochenende drängen sich die Menschen auf dem Viktualienmarkt, als hätte es nie einen Winter gegeben. Sonnenbrillen, Aperol, T-Shirt-Wetter. Doch nun heißt es: Winterstiefel aus dem Keller holen, den Fleece-Pulli überwerfen, Haube auf. Für St. Johann sind 3 Grad im Tal angesagt – und wir wollen noch höher hinaus. Auf 1.300 Meter, zur Angerer-Alm, mit Blick auf den Wilden Kaiser.
Klaus Monhoff hat in seinen 33 Jahren bei Egger viel gesehen. Wachstumsphasen, Umbrüche, Designrevolutionen. „Dann passt’s ja gut, dass wir dieses Gespräch auf einer gewissen Höhe führen“, sagt er, während drinnen in der holzgetäfelten Stube der Kaminofen knistert. Monhoff, Wombacher und der Outsider aus München sitzen beisammen. Draußen auf der Piste glitzert der (Kunst-)Schnee, drinnen dampft der Kaffee. Unterhalb der Alm im Tal: der Stammsitz von Egger – Dampf aus den Produktionshallen steigt auf. Ein paar Meter höher ragt das Kitzbüheler Horn in die Höhe. Ein Ort für Rückblicke. Und Ausblicke.
Monhoff kennt die Angerer-Alm. Immer wieder hat er hier oben auch Zeit mit Kundinnen und Kunden verbracht – in entspannter Atmosphäre, mit Blick auf die Alpen. „Ich mag die Berge sehr gern. Aber ich war damals sehr froh, dass Michael Egger mir es ermöglicht hat, in Brilon zu arbeiten, wo sich auch die sodass meine Familie nicht umziehen musste“, erzählt Monhoff, der zu Spitzenzeiten 22-mal pro Jahr in St. Johann aufgeschlagen ist, im Schnitt also zwei Mal im Monat. Monhoff hat in seinen Jahren ordentlich Kilometer gemacht. Von Brilon nach St. Johann sind es gut 700 km. Monhoff: „Daran gewöhnt man sich.“ Es war im Jahr 1992, als Michael Egger sen., langjähriger Stratege und bis heute Mitinhaber des Holzwerkstoffriesen, ihn vom Decor-Drucker Interprint in die Welt der Holzwerkstoffe holte. „Interprint war damals schon sehr exportorientiert. Und dieses Wissen konnte ich gut bei Egger einbringen und so dazu beitragen, die Internationalität zu fördern“, erinnert sich Monhoff, der in der Zeit bei Interprint im Vertrieb unterwegs war. „Egger betrieb damals drei Werke und war auch da schon eine echte Hausnummer“, sagt Monhoff und lehnt sich zurück. Heute steht das Unternehmen auf ganz anderen Beinen: 22 Werke weltweit, über 11.000 Mitarbeitende, weiterhin fest in Familienhand. Das Geschäftsjahr 2024 hat die Egger-Gruppe mit einem Umsatz von 4,13 Mrd Euro abgeschlossen. Das EBITDA liegt bei 493,6 Mio Euro. Und Monhoff hat viel dazu beigetragen, dass das Unternehmen heute dort oben steht. Egger ist Global Player, ein Branchenriese mit viel Einfluss und Verantwortung.
Trotz des rasanten Wachstums, der familiäre Geist ist geblieben – ein Charakteristikum, das, unter vielen anderen, auch für Matthias Wombacher bei seinem Wechsel nach Brilon ausschlaggebend war. Wie einst Monhoff kam auch er von einem Dekordrucker – sein vorheriger Arbeitgeber: das börsennotierte Unternehmen Surteco. Ein Konzern mit ganz anderen Strukturen, anderem Takt.
Vom Dekordrucker nach Brilon
Schon beim gemeinsamen Aufstieg auf die Alm wird klar: Wombacher und Monhoff verstehen sich gut. Zwei, die nicht nur beruflich harmonieren, sondern auch persönlich zueinander gefunden haben. Es wird gewitzelt im Schnee, der Ton ist kollegial, das Gespräch fließt leicht. Die beiden sind auch viel gemeinsam unterwegs. Kurz nach dem Interviewtermin geht es für die zwei in Richtung Fernost. Und auch die Biografien der beiden laufen erstaunlich parallel: Vom Dekordrucker nach Brilon, beide mit starkem Vertriebs-Background. Und beide – trotz Altersunterschied – geprägt vom selben Mentor: von der Vertriebslegende der Zulieferbranche Bernd Poliwoder.
„Vertrieb und Dekormanagement haben viele Berührungspunkte“, sagt Wombacher. „Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam mit unserem Team Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen – und zwar in allen Märkten, in denen wir aktiv sind.“
Das sind viele und es kommen stetig weitere hinzu. Das Dekorund Designmanagement bei Egger, 16 Leute sind in der Abteilung beschäftigt, die Monhoff vor 33 Jahren in Eigenregie gegründet hat, sieht sich als verlängerte Werkbank der Märkte – strategisch, praxisnah, international vernetzt. Die Anforderungen an das Sortiment verändern sich. „Die starken Schwankungen seit Corona machen uns die Planung nicht leicht“, sagt Monhoff. „Während der Pandemie verlangte der Markt kaum Neues, da das Geschäft fast von alleine lief. Heute hat sich das Bild komplett gewandelt. Alle suchen nach frischen Ideen. Jeder Markt ist unterschiedlich. Doch wir rennen nicht jedem Trend hinterher.“
Vielmehr geht es bei Egger um tragfähige, massentaugliche Innovationen – Produkte mit Substanz, die leicht verändert in verschiedenen Ländern einsetzbar sind. „Wir denken nicht im Hier und Jetzt, sondern wollen Trends frühzeitig erspüren – und, wenn möglich, selbst setzen.“ Dabei helfen wird die globale Aufstellung von Egger. Man hört das Gras wachsen, überall auf dem Planeten, wenn man so will. Wombacher: „Wenn wir einen Trend erkennen und ausrollen, dann hat das natürlich aufgrund unserer Marktdurchdringung auch einen gewissen Impact auf den Markt. Das hilft uns natürlich. Sichtbarkeit stellt Trends her.“ Auch das Konzept Eggerzum, das mittlerweile weltweit umgesetzt wird und von Monhoff aufgebaut wurde, ist eine der tragenden Säulen beim Setzen von neuen Trends. Wombacher tritt in große Fußstapfen. Ist ihm klar. Macht ihn das nervös? Mit dem Blick in Richtung Boden sagt er: „Meine Füße sind größer als die von Klaus“, so Wombacher. Beide lachen und nehmen einen Schluck vom Kaffee.
Sparringspartner und Passgeber
Wo liegt der Unterschied zwischen Vertrieb und Dekormanagement? Wombacher sagt es so: „Im Vertrieb geht es insbesondere darum, mit wirtschaftlichem Ansatz zu verkaufen. Unsere Aufgabe ist es, kundenzentriert und mit Blick auf das Kundenportfolio zu beraten. Im engen Zusammenspiel mit dem Vertrieb – aber mit einem klar anderen Fokus.“ Monhoff: „Auch der Kundenkontakt ist ein anderer. Wir müssen nichts verkaufen. Das hilft natürlich. Wir freuen uns, wenn unsere Beratung auch für den Kunden Erfolg hatte.“ Anders ausgedrückt: Monhoff und Wombacher sind Sparringspartner der Kunden und Passgeber für die Kollegen. Um dieses Spiel erfolgreich zu spielen, braucht es ein gutes Gespür für Märkte. Monhoff war viel unterwegs, um dieses Gespür zu schärfen – China, USA, Naher Osten. Und auch Wombacher kennt die internationale Bühne. Mittlerweile bereisen beide zusammen die Welt. Egger ist heute in aller Welt vertreten. Das Ziel lautet: weiterwachsen. „In den USA sehen wir großes Potenzial – selbst wenn die aktuelle Lage auch uns herausfordert“, sagt Wombacher. Wachstum ja. Das geht über Zukäufe wie etwa des italienischen Holzwerkstoffhändlers Saib im Jahr 2022 und zwei Jahre zuvor des italienischen Oberflächenspezialisten Cleaf. Oder auch qualitativ: „In den bestehenden Märkten wollen wir immer mehr hochwertige Produkte anbieten.“ Ein Fokus liegt derzeit dabei auf dem Thema Lack. Auf den Frühjahrsmessen zeigte sich bereits, wohin die Reise geht. So präsentierte Voglauerbeim Neuheiten-Event in München einen neuen Voglauer-Preiseinstieg. Dieser ist dem österreichischen Unternehmen, das im Privatkunden-Geschäft bislang auf Produktion von Massivholzmöbeln ausgerichtet war, auch dank Egger-Innovationen geglückt. „Wir wollen nicht nur auf Marktveränderungen reagieren, sondern aktiv neue Ideen umsetzen“, so Martin Fütterer, Leiter der Möbel-Division bei Voglauer, zum Strategiewechsel. Schick, aber bezahlbar – ein Trend, der Egger nochmals einen Push geben könnte.
Sicherlich werden Lack-Produkte auch in Köln auf der diesjährigen Interzum Thema auf dem Egger-Stand sein. Wird dann auch Wombachers erste Weltleitmesse im Egger-Trikot. Köln bleibt das wichtigste Schaufenster der Branche, und Egger will auffallen. Im Fokus: eine neue matte Holzpore. „Wir haben große Erwartungen“, sagt Monhoff. „Unsere internationalen Kunden sind angemeldet – wir werden viel im Gepäck haben. Wir sind bereit“, sagt Monhoff. Und nimmt einen Schluck vom Soda Zitron. Für alle nördlich des Weißwurstäquators: Sprudel mit einem Schuss Zitrone.
Die lange Einarbeitungszeit von Wombacher erzählt viel über die Kultur bei Egger – und über die Wertschätzung für Monhoffs Arbeit. Monhoff hat in den 33 Jahren viel aufgebaut. Der Übergang soll reibungslos verlaufen – und wird er wohl auch, so wie es grad aussieht. Ein zweites Managergehalt nimmt das Unternehmen dafür gern in Kauf. „Als familiengeführtes Unternehmen denken wir langfristig“, so Wombacher. Monhoff nickt zustimmend. „Und deshalb freue ich mich sehr, dass ich durch die längere Übergangsphase so viel Wissen von meinem Kollegen mitnehmen darf.“ Noch bis Mitte 2026 wird Matthias Wombacher an Monhoffs Seite unterwegs sein – als Beobachter, Mitgestalter und künftiger Taktgeber im Dekormanagement von Egger.
Mittlerweile hat sich der Tisch geleert. Noch schnell eine Scheibe hausgemachtes Sauerteigbrot mit regionaler Wurst, Käse und Kren belegen. „Eine Tiroler Jause ist schon was Feines“, so Wombacher und schaut aus dem Fenster. Die letzten Skifahrer der Saison carven an der Alm vorbei. Nach einem letzten Schluck Kaffee heißt es Jacke und Mütze an. Draußen ist es frisch. Wombacher: „Ich freue mich auf das, was kommt.“ Auch Monhoff und der Outsider aus München machen sich auf den Weg: Monhoff: „Ich freue mich auf die vielen bekannten Gesichter in Köln.“ Es wird die letzte Interzum von Klaus Monhoff als Egger-Sortimentsarchitekt sein.