Planen in komplizierten Zeiten (2)
Jan Filler und Tobias Föse zu künstlicher Intelligenz im Forecasting
Für künstliche Intelligenz ist es eine halbe Ewigkeit: Seit vier Jahren bereits setzen sie beim Onliner Otto KI im Forecasting ein. Jan Filler, in Hamburg zuständig für den Möbelbereich, und Tobias Föse, Senior Product Owner AI Forecasting, erklären im INSIDE-Interview, an welchen Stellen das Sinn macht und – platt gesagt – was KI bei Otto kann.
INSIDE: Herr Filler, Herr Föse, Meteorologen sagen, eine Prognose über mehr als eine Woche ist unseriös. Über welche Zeiträume können Sie bei Otto zuverlässige Prognosen treffen?
Tobias Föse: Eine Prognose ist der Versuch, aus der Vergangenheit zu lernen und Ableitungen für die Zukunft zu treffen. Im Handel schauen wir einzelne Artikel an und analysieren zum Beispiel, wie und wie oft diese gekauft werden und wie sich Vertriebsmaßnahmen darauf auswirken. Wir versuchen außerdem, gezielt Situationen herzustellen, die bereits zu einer stärkeren Nachfrage geführt haben – zum Beispiel aufgrund von Preis und Sichtbarkeit. Das funktioniert bereits sehr gut, wir machen das täglich für rund zwei Millionen Artikelpositionen, und zwar bis zu 450 Tage in die Zukunft.
Wenn es nicht funktionieren würde, würden Sie es wahrscheinlich nicht machen?
T.F.: Das stimmt. In der Vergangenheit gab es mit der Pandemie oder dem Angriffskrieg auf die Ukraine aber auch Ereignisse, die nicht vorhersehbar waren und die es so noch nicht gegeben hat. In solchen Situationen Prognosen abzugeben, ist wiederum sehr schwer.
Wird Forecasting bei Otto komplett über die KI betrieben? Wie viel Mensch ist noch im Einsatz?
T.F.: Es kommt auf den Einsatzzweck an: Der Mensch, seine Erfahrung und persönliche Kommunikation bleiben in vielen Bereichen wichtig. Wir setzen das Forecasting im gesamten Prozess ein – von der Sortimentierung bis zur Auslieferung an den Kunden. Denn mit Hermes als Partner im eigenen Konzern bedient Otto die gesamte Wertschöpfungskette. Bei manchen Tätigkeiten geht es um Automation, bei anderen assistiert und unterstützt die KI.
Gab es bereits einmal Prognosen, die gar nicht gestimmt haben?
Jan Filler: Ja, die gab’s. Diese Systeme funktionieren nur mit den Daten, die sie haben. Kritisch hinterfragen kann KI nicht. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch unsere Marktexpertise einbringen.
Wie ist die Akzeptanz im Unternehmen?
T.F.: Die Einführung einer Prognose ist mit einem großen Wandel im Unternehmen verbunden. Die Sortimentsgestaltung ist nun kundeninitiiert. Der Kunde bestimmt durch sein Verhalten, was ins Sortiment geht. Durch den Einsatz von KI sind wir in der Lage, Prognosen für Produkte zu erstellen, die noch gar nicht im Sortiment sind. Das führt dazu, dass Mitarbeiter nicht einfach so weiterarbeiten können wie bisher. Erklärbarkeit und Vertrauen spielen hier eine große Rolle. Man kann zeigen, ob Prognosen funktionieren, indem man ein Jahr zurückblickt, eine Prognose erstellt und diese dann mit dem Ist-Status vergleicht. Das führt auch zu Vertrauen. Es ist ein sehr langer Prozess. Vor vier Jahren haben wir mit dem Team begonnen, das Forecasting aufzubauen. Wir haben es zuerst in der Logistik eingesetzt.
Herr Filler, was bedeutet das Forecasting in der Praxis, beim Messebesuch zum Beispiel? Müssen die Produkte zunächst in Hamburg gecheckt werden, bevor eine Unterschrift darunter kommt?
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