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Hettich

„Wir haben eine Many-to-many-Management-Kultur“

Durch die Transformation führen mit geänderter Führungskultur: So kann man Aufgabe und deren Lösungsansatz beim Beschlaghersteller Hettich beschreiben. Wie steuert man aus dem eher beschaulichen Kirchlengern einen weltweit tätigen Hersteller, der auch in China, Indien oder den USA seine Erfolge ausbauen will? Wie kommt ein Unternehmen durch die vielen Krisen der vergangenen Jahre, von Pandemien über weltwirtschaftliche Verwerfungen bis hin zu Konflikten um Rohstoffe? – Wir haben Vertreter des Hettich-Führungsteams in einer morgendlichen Runde vor Ort im Hettich-Forum dazu befragt. Wie sich schnell herausstellte, hätten wir die ganzen Definitionen und Diagramme zu Organisationsstrukturen ruhig zu Hause liegen lassen können. Warum, lesen Sie hier.

29.04.2024 | 12:20

One-to-many-Kommunikation: Outsider im Gespräch mit Philipp Rode, Matthias Oetting, Jana Schönfeld, Sascha Groß, Michael Lehmkuhl

    Sascha Groß: Jahrgang 1974, bei Hettich seit 2004. Aktuelle Aufgabe: seit 2017 Geschäftsführer der Hettich-Gruppe. Werdegang im Unternehmen: Projektmanager, Geschäftsführer Hettich China, Geschäftsführer Hettich Tschechien, Regional Director

    Matthias Oetting: Jahrgang 1977, bei Hettich seit 2023. Aktuelle Aufgabe: seit 2023 Director Marketing bei Hettich in Kirchlengern. Werdegang im Unternehmen: als Director Marketing eingestiegen

    Jana Schönfeld: Jahrgang 1978, bei Hettich seit 2017. Aktuelle Aufgabe: Geschäftsführerin der Hettich-Gruppe. Werdegang im Unternehmen: als Geschäftsführerin eingestiegen

    Philipp Rode: Jahrgang 1979, bei Hettich seit 2016. Aktuelle Aufgabe: Seit 2018 Geschäftsführer in der Hettich-Gruppe am Standort Kirchlengern.

    Michael Lehmkuhl: Jahrgang 1976, bei Hettich seit 2002. Aktuelle Aufgabe: seit 2016 Geschäftsführer in der Hettich-Gruppe am Standort Kirchlengern, Hauptsitz für Entwicklung und Produktion von Auszugsführungen und Schubkastensystemen. Schwerpunkte u.a. im Innovationsmanagement, Produktmanagement, F&E, Projekte und Qualitätsmanagement. Seit 2024 weitere Tätigkeitsschwerpunkte im Marketing und Vertrieb in der Gruppe. Werdegang im Unternehmen: Qualitätsingenieur, Verantwortlicher Qualitätsleiter, entwicklungsverantwortlich, Leiter Qualitätsmanagement, Projektleiter

    INSIDE: Guten Tag zusammen. Das ist ja eine größere Runde heute Früh. Passenderweise haben wir einen Stuhlkreis gebildet, da kommen wir ja sicher sehr gut ins Gespräch. Wir wollen dem auf die Spur kommen, was man im Allgemeinen als Firmenkultur beschreibt, und dem Erfolgsgeheimnis der Unternehmensgruppe. Was macht das Arbeiten bei Hettich aus, was macht es in Ihren Augen besonders?

    Jana Schönfeld: Das wichtigste Grundprinzip ist, dass sich jeder bei uns mit seinen Stärken, Leidenschaften und Ideen bestmöglich einbringt. Deswegen sitzen wir heute zu fünft hier und nicht als Doppel-Geschäftsführung. Wir fünf sind Vertreter eines großen globalen Managementteams. An einem anderen Tag hätten Sie möglicherweise fünf andere Menschen getroffen. Da wir heute Verantwortung für die Gestaltung der Bilanz-Pressekonferenz übernehmen, die nach unserem Interview stattfinden wird, sind wir nun in dieser Besetzung hier und bringen verschiedene Kompetenzen und Perspektiven ein. Philipp Rode, Markt und Kunde sowie Märkte dieser Welt; Matthias Oetting, der bei uns für Marketing verantwortlich ist; Michael Lehmkuhl, mit dem Schwerpunkt Innovation, Produktmanagement und Produktion, und Sascha Groß, der mit mir das Geschäft global steuert, aber auch eine große Expertise in Produktion, Logistik und Internationalisierung hat; bei mir sind es mehr die Themen Strategie, Kaufmännisches, Unternehmenskultur und HR. Natürlich ist auch jede Persönlichkeit anders. Genau das schätzen wir und diese Unterschiedlichkeit möchten wir in unseren Alltag bei Hettich integrieren und zulassen.

    Wie steuert man einen der wichtigsten Beschlaghersteller der Welt? Für Hettich arbeiten ja – verteilt auf 24 Länder – 8.600 Menschen. Welche Struktur ist da wichtig und wie wird diese Struktur aktuell mit Leben gefüllt?

    Jana Schönfeld: Jeder Kollege, jede Kollegin bei uns hat unterschiedliche Leidenschaften: um Kunden zu begeistern, für tolle technische Lösungen, für Arbeits- und Gesundheitsschutz, für Nachhaltigkeit, für digitale Tools oder Kommunikation auf neuen Wegen, jemand anderes mehr für persönliche Begegnungen. Das steht nicht immer auf der Visitenkarte, doch wir bieten unseren Kollegen Möglichkeiten an, diese Interessen einzubringen. Unsere Idee dahinter: So muss sich niemand verstellen, arbeiten macht mehr Spaß und wir können alle gemeinsam erfolgreicher sein. Das ist ein wichtiger Baustein für uns.

    Das klingt ja fast wie eine Fußballmannschaft, vielleicht eine ganz ohne Trainer-Team. Organisiert sich die Mannschaft selber?

    Jana Schönfeld (lacht): Da muss ich doch gleich an einen meiner Kollegen übergeben, die mehr Fußball-Expertise haben . . .

    Michael Lehmkuhl: Mannschaft ist ein gutes Beispiel. Mannschaft ohne Trainer, das ist eine Diskussion, die wir intern sehr intensiv führen. Wir haben verschiedenste Formen, wie wir unsere Teams führen, also nicht die eine Management-Methode oder Organisationsform. Bleiben wir im Bild: Wir haben Mannschaften, die organisieren sich selbst. Die haben ihren Spieler-Trainer in der Gruppe. Das sind Beispiele, da haben die Mitarbeiter teilweise zu uns gesagt: „Wir brauchen keine Führungskraft.” Also haben wir das zugelassen.

    Was sind denn das für Gruppen bei Hettich, die so frei arbeiten? Können Sie da mal ein oder zwei Beispiele nennen?

    Michael Lehmkuhl: Vor ein paar Jahren, so etwa 2016 oder 2017, haben wir erstmals mit selbstorganisierten Teams experimentiert. In dem Fall war das der Bereich Steuern. Es stand ein Führungswechsel an und das war der Anlass, es zu probieren. Wir haben geschaut, was macht denn an dieser Position die Führungskraft bisher aus? Menschen entwickeln, ihnen Möglichkeiten eröffnen. Wie konnten wir das weiter gewährleisten ohne die Führungskraft? Wir geben den Kollegen als Experten Freiraum sich einzubringen, sie geben sich gegenseitig fachliches Sparring. Wo erforderlich, assistieren wir als Coaches. Ein anderes Beispiel: Das Experten-Team, das die Managementprozesse rund um Corporate Responsibility aufstellt, haben wir später ebenfalls als selbstorganisiertes Team aufgestellt, nach dem Modell Spieler-Trainer, wenn man im Bild bleiben will.

    Aber nicht alle arbeiten bei Hettich so, oder?

    Michael Lehmkuhl: Wir haben auch Lösungen gefunden, da haben wir ein Trainer-Team, in einem Beispiel ein Trainer-Trio. R&D, Produkt- und Innovationsmanagement: Das waren früher getrennte Abteilungen bei uns, jetzt sind sie eine große Mannschaft. Damit nicht unterm Strich gegeneinander gearbeitet wird, sondern gemeinsam für den Kunden, haben wir nun ein Team von 150 Mitarbeitern mit drei Trainern. Alle Teile der Mannschaft spielen gemeinsam, vom Torwart bis zum Stürmer. Da ist immer einer ansprechbar, alle sind verantwortlich für den ganzen Prozess. Und das funktioniert ebenfalls sehr gut.

    Diese drei Abteilungen haben Sie dann also ganz aufgelöst?

    Michael Lehmkuhl: Von Abteilungen sprechen wir schon lange nicht mehr. Wir haben Funktionen. Und wir haben Menschen, die spezielle Expertisen für bestimmte Funktionen haben. Natürlich werden sie immer noch irgendwo organisatorisch zugeordnet. Wir leben es nicht als Bereich, sondern als Gesamtheit. Plakativ gesprochen: gemeinsames Arbeiten auf einer gemeinsamen Fläche und keine Feier nur der Entwickler, des Vertriebs oder der IT. Das zieht sich so durchs ganze Unternehmen. Und da ist das Zusammenarbeiten einfach schon durch solche Maßnahmen deutlich besser für alle  Beteiligten.

    Philipp Rode: Wir haben in der Vergangenheit auch Firmen zugekauft. Wenn man von der Gesamtmannschaft redet und von Abwehr, Mittelfeld und Sturm: Das waren teilweise unterschiedliche Einheiten, also Gesellschaften. Wir hatten ein durchaus ausgeprägtes internes Gesellschaftsdenken. Wir hatten einen Forschungs- und Entwicklungs-Bereich hier, einen da, den nächsten dort. Das ist das, was Michael gerade meinte: Da war wenig Interaktion oder nicht genügend. Und das haben wir in den letzten fünf Jahren gut hingekriegt. Weg von Mannschaftsteilen, hin zu einer Gesamtmannschaft. Ich kann mich noch gut an ein Meeting erinnern, da saßen Außendienst und Vertrieb erstmals mit den Entwicklern zusammen und haben über die Validierung eines neuen Produkts geredet. Dabei sind – auf beiden Seiten – Augen aufgegangen. Da kam es ständig zu „Ach so, deshalb”-Momenten. Das ist ein riesiger Vorteil, dass wir als ein Team denken und nicht in Abteilungen oder sogar in Einzelgesellschaften. Es ist nicht mehr so, wie es – überspitzt gesagt – zuvor war: „Die Produktion ist schuld, die Logistik ist schuld, der Vertrieb hat es versemmelt.” Das alles umzukehren und zu sagen: „Nee, wir alle zusammen, wir lösen das gemeinsam, im engen Austausch”, das macht es aus.

    Und die neuen Methoden, die neuen Herangehensweisen: Sind die denn krisenfest? Man könnte ja einwenden, dass in Extremsituationen eine straffe Lenkung von oben durch einen kleinen Kreis die einzige Möglichkeit ist.

    Sascha Groß: Sie hatten ja nach dem Geheimnis des Erfolgs gefragt. Da bin ich vorhin erstmal zusammengezuckt. Denn die letzten Jahre waren schon extrem wild. Das waren Krisen und Hindernisse, auf die wir – wie andere auch – gestoßen sind, ohne dafür etwas in der Schublade zu haben. Angefangen mit der Corona-Pandemie und den weltweiten Verwerfungen in den Lieferketten. Als Unternehmen hatten wir im Jahr 2021 beispielsweise den Brand in unserer Galvanik in Berlin zu verkraften. Wenn diese neue Basis, die Philipp gerade angesprochen hat, bei uns nicht schon vorhanden gewesen wäre, wenn wir da noch in unseren alten Rollen gewesen wären, … 

    Das Unternehmen wäre dann nicht schnell und flexibel genug gewesen?

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    „Wir haben eine Many-to-many-Management-Kultur“

    Durch die Transformation führen mit geänderter Führungskultur: So kann man Aufgabe und deren Lösungsansatz beim Beschlaghersteller Hettich beschreiben. Wie steuert man aus dem eher beschaulichen Kirchlengern einen weltweit tätigen Hersteller, der auch in China, Indien oder den USA seine Erfolge ausbauen will? Wie kommt ein Unternehmen durch die vielen Krisen der vergangenen Jahre, von Pandemien über weltwirtschaftliche Verwerfungen bis hin zu Konflikten um Rohstoffe? – Wir haben Vertreter des Hettich-Führungsteams in einer morgendlichen Runde vor Ort im Hettich-Forum dazu befragt. Wie sich schnell herausstellte, hätten wir die ganzen Definitionen und Diagramme zu Organisationsstrukturen ruhig zu Hause liegen lassen können. Warum, lesen Sie hier.

    22.04.2024

      One-to-many-Kommunikation: Outsider im Gespräch mit Philipp Rode, Matthias Oetting, Jana Schönfeld, Sascha Groß, Michael Lehmkuhl

      INSIDE: Guten Tag zusammen. Das ist ja eine größere Runde heute Früh. Passenderweise haben wir einen Stuhlkreis gebildet, da kommen wir ja sicher sehr gut ins Gespräch. Wir wollen dem auf die Spur kommen, was man im Allgemeinen als Firmenkultur beschreibt, und dem Erfolgsgeheimnis der Unternehmensgruppe. Was macht das Arbeiten bei Hettich aus, was macht es in Ihren Augen besonders?

      Jana Schönfeld: Das wichtigste Grundprinzip ist, dass sich jeder bei uns mit seinen Stärken, Leidenschaften und Ideen bestmöglich einbringt. Deswegen sitzen wir heute zu fünft hier und nicht als Doppel-Geschäftsführung. Wir fünf sind Vertreter eines großen globalen Managementteams. An einem anderen Tag hätten Sie möglicherweise fünf andere Menschen getroffen. Da wir heute Verantwortung für die Gestaltung der Bilanz-Pressekonferenz übernehmen, die nach unserem Interview stattfinden wird, sind wir nun in dieser Besetzung hier und bringen verschiedene Kompetenzen und Perspektiven ein. Philipp Rode, Markt und Kunde sowie Märkte dieser Welt; Matthias Oetting, der bei uns für Marketing verantwortlich ist; Michael Lehmkuhl, mit dem Schwerpunkt Innovation, Produktmanagement und Produktion, und Sascha Groß, der mit mir das Geschäft global steuert, aber auch eine große Expertise in Produktion, Logistik und Internationalisierung hat; bei mir sind es mehr die Themen Strategie, Kaufmännisches, Unternehmenskultur und HR. Natürlich ist auch jede Persönlichkeit anders. Genau das schätzen wir und diese Unterschiedlichkeit möchten wir in unseren Alltag bei Hettich integrieren und zulassen.

      Wie steuert man einen der wichtigsten Beschlaghersteller der Welt? Für Hettich arbeiten ja – verteilt auf 24 Länder – 8.600 Menschen. Welche Struktur ist da wichtig und wie wird diese Struktur aktuell mit Leben gefüllt?

      Jana Schönfeld: Jeder Kollege, jede Kollegin bei uns hat unterschiedliche Leidenschaften: um Kunden zu begeistern, für tolle technische Lösungen, für Arbeits- und Gesundheitsschutz, für Nachhaltigkeit, für digitale Tools oder Kommunikation auf neuen Wegen, jemand anderes mehr für persönliche Begegnungen. Das steht nicht immer auf der Visitenkarte, doch wir bieten unseren Kollegen Möglichkeiten an, diese Interessen einzubringen. Unsere Idee dahinter: So muss sich niemand verstellen, arbeiten macht mehr Spaß und wir können alle gemeinsam erfolgreicher sein. Das ist ein wichtiger Baustein für uns.

      Das klingt ja fast wie eine Fußballmannschaft, vielleicht eine ganz ohne Trainer-Team. Organisiert sich die Mannschaft selber?

      Jana Schönfeld (lacht): Da muss ich doch gleich an einen meiner Kollegen übergeben, die mehr Fußball-Expertise haben . . .

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      Michael Lehmkuhl: Mannschaft ist ein gutes Beispiel. Mannschaft ohne Trainer, das ist eine Diskussion, die wir intern sehr intensiv führen. Wir haben verschiedenste Formen, wie wir unsere Teams führen, also nicht die eine Management-Methode oder Organisationsform. Bleiben wir im Bild: Wir haben Mannschaften, die organisieren sich selbst. Die haben ihren Spieler-Trainer in der Gruppe. Das sind Beispiele, da haben die Mitarbeiter teilweise zu uns gesagt: „Wir brauchen keine Führungskraft.” Also haben wir das zugelassen.

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