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30 Tage machen Stress

Zur neuen Preisangabenverordnung

24.06.2022 | 9:18

Am Ende muss man einen Verbraucherschützer fragen, wie die das sehen, sagt ein großer Möbelhändler in diesen Tagen. Denn zu sehen ist es ja schon, wenn man die Zeitung aufschlägt oder die Webshops durchkämmt. Weniger Prospekte, niedrigere Rabatte, vorsichtiger formulierte Rabattversprechen – oder bei Lutz neuerdings der neue „Hauspreis“, also zum Beispiel „mindestens 40 Prozent auf UVP“.

 

Die in diesen Tagen oft ungewöhnlich schwachen Rabattansagen des Möbelhandels haben natürlich auch mit dem Sommer zu tun. Doch das Gesetz hat ebenfalls Einfluss auf die aktuelle Werbung. Auch die in den vergangenen Jahren endemisch angewachsene Onlinejuristerei hat sich der neuen Preisangabenverordnung, die unter dem schönen Kürzel PAngV läuft, zur Genüge gewidmet. Bislang fehlen aber Gerichtsurteile; vielleicht fehlen bislang auch Verstöße – oder einfach nur Beschwerden.

 

Was bringt die neue Verordnung denn am Ende für relevante Veränderungen? Einige: Seit dem 28. Mai sind Händler dazu verpflichtet, bei der Werbung mit Preisermäßigungen den vorherigen Verkaufspreis anzugeben, der sich nach dem niedrigsten Preis richtet, den der Händler in den 30 Tage davor verlangt hat. Als Referenzpreis ist nun somit immer der niedrigste Preis der letzten 30 Tage anzugeben. Das betrifft sowohl die Werbung mit Gegenüberstellungen zweier Preise als auch die Werbung mit einer prozentualen Reduzierung.

 

Die Neuregelung führt dazu, dass Händler Preisänderungen jetzt dokumentieren müssen. Sie führt zu erhöhtem Aufwand. Und zu Unsicherheit. Gutachten wurden von den Verbandszentralen und von großen Filialisten dazu eingeholt. Fein raus sind die Tiefpreisstrategen wie Hardeck oder Segmüller. Die müssen erstmal nichts umstellen. Fein raus sind auch Kampagnen, die Bezug nehmen auf die UVP des Herstellers. Das gab es bislang nicht so oft im Markt, denn UVP gibt es allenfalls im Marken- und Premiumherstellerlager. Aber nicht im Massenmarkt. Umso erstaunlicher ist die neue Lutz Werbung. Irgendwie auch wieder nicht, denn: Nicht unter die Vorschrift zur Vergleichspreisangabe fällt die Werbung mit einer gegenübergestellten UVP, also einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers.

 

Ziel der neuen Verordnung sei es, so sagt das Katharina Grasl von der Verbraucherzentrale Bayern, eine Irreführung von Verbrauchern durch eine überhöhte Rabattwerbung zu verhindern. Grasl: „Händler sollen künftig nicht mehr künstlich überhöhte Verkaufspreise für Werbungen mit Preisermäßigungen nutzen können. Darüber hinaus soll es Verbrauchern ermöglicht werden, Preisermäßigungen besser einschätzen zu können.“ So die Theorie.

 

Was die Praxis bringt, wird die Praxis zeigen. Auch die Wettbewerbszentrale, im Jahr 2016 mit einer größeren Untersuchung zur Preisschaukelei im Möbelhandel unterwegs, will erstmal abwarten und dem Handel die Gelegenheit geben, sich auf das neue Gesetz einzuschwingen. Doch man hat das neue Ding auf dem Schirm. Elvira Schad, zuständig für den Möbelhandel bei der Wettbewerbszentrale, beobachtet die Werbung aufmerksam. Schad sitzt im Büro Dortmund. Und von hier aus hat die Juristin dem INSIDE folgende Einschätzung geschickt: 

 
„In § 11 Abs. 1 PAngV findet sich eine besonders praxisrelevante neue Informationspflicht für Unternehmer. Wer für Waren mit Preisermäßigungen wirbt, muss künftig in der Werbung den niedrigsten Preis als Referenzpreis angeben, der in einem Zeitraum innerhalb der letzten 30 Tage vor Beginn der Preisreduzierung von Verbrauchern gefordert wurde. Dies ist der Fall bei Preisgegenüberstellungen des höheren früheren und des niedrigeren aktuell geforderten Preises, zusätzlich muss künftig der niedrigste Preis aus den letzten 30 Tagen als Referenzpreis genannt werden. Ziel des Gesetzgebers ist es Mondpreisgestaltungen und kurzfristigen Preiserhöhungen vor der Reduzierung entgegenzuwirken.
 
Daneben müssen Unternehmer aber auch die allgemeinen Irreführungsvorschriften des UWG beachten, besonders § 5 Abs. 5 UWG. Danach muss derjenige, der mit Preisreduzierungen werben möchte, den höheren Preis für einen angemessen langen Zeitraum unmittelbar vor der Reduzierung von Verbrauchern gefordert haben. Welcher Zeitraum angemessen ist, wird durch die Art der Ware bestimmt. Bei langlebigen Gütern wie Möbeln wird man je nach Möbel von einem Zeitraum von mindestens vier bis sechs Wochen ausgehen müssen. Dies bedeutet, werden Preisreduzierungen schon vor Ablauf dieses Zeitraumes vorgenommen, würde man von einer irreführenden Mondpreisgestaltung ausgehen. In der Regel müsste damit der niedrigere Preis außerhalb des Zeitraumes von 30 Tagen liegen. Positiv könnte sich § 11 PAngV auf Fälle der Preisschaukelei auswirken, d.h. diejenigen Fälle, in denen regelmäßig für dieselben Waren mit Preisreduzierungen und Preiserhöhungen in kurzfristigen Abständen von z. B. zwei Wochen geworben wird, also Mondpreisgestaltungen. Bislang liegen der Wettbewerbszentrale noch keine Beschwerden über Verstöße im Möbelhandel vor.“ 
 

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