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Die Zukunft des Möbelhandels (4)

Nie mehr Versorger!

22.01.2025 | 11:50
Marcus Diekmann

Die Möbelbranche hat ein Kunden-Problem: So richtig gern kommt kaum mehr einer ins Möbelhaus oder in den Onlineshop. Längst hat sich der E-Commerce zum Social ­Commerce entwickelt, der Commerce im Metaverse steht in den Startlöchern. Innerhalb von fünf Jahren können Firmen sich anpassen, meint unser Gastautor Marcus Diekmann, Strategic Advisor bei Armedangels, bei Möbel Dick und einigen mehr.

Ein Gastbeitrag von Marcus Diekmann

Marcus Diekmann, Keynote-Speaker beim 6. INSIDE Branchen-Gipfel, ist als Digital- und Handelsexperte unterwegs. Von 2019 bis 2021 leitete Diekmann das Familienunternehmen Rose Bikes, zuerst als CCO, dann als CDO und zuletzt als Geschäftsführer. In seiner Zeit wurde bei Rose auf die „Online first“-Strategie umgestellt. Bis Herbst 2023 war Diekmann dann im Beirat der Fahrradfirma. Seit November 2023 ist Diekmann Strategic Advisor beim Kölner Modelabel Armedangels. Außerdem ist Diekmann u.a. Mitgesellschafter bei der Founders League, beim Gesundheits-Start-up Doqtor, dem Lieferdienst Bringoo und der Wahl-App Votebase. Seit September 2024 ist Diekmann – vormals auch bei Shopmacher, Beter Bed – wieder auch für die Möbelbranche tätig. Für etwa zwei Jahre ist er Strategic Advisor beim von Günter Dick und Pascal Dick geführten EMV-Filialisten Wohnparc in Lauchringen. Er berät beim kompletten Unternehmens- und Strategiecheck der Dick-Gruppe.

Vor ein paar Wochen in einem deutschen Möbelhaus, da sehe ich ein Motiv, das ich zunächst auf Insta posten wollte. Das Bild sagt viel aus: Gut sichtbar unter einem Schild war die „Finanzierungsabteilung“ eingerichtet. Wie bitte? Wer geht denn da rein, für alle sichtbar? Das muss doch automatisiert sein, das muss so cool sein: „Hey, finanzier‘ es einfach.“ Ich möchte doch keinen Antrag auf Finanzierung stellen. Das ist nicht serviceorientiert.

In Möbelindustrie und -handel muss sich etwas tun. Das ist keine besonders neue Nachricht. Drängend sind die Themen, die angegangen werden müssen, allerdings schon. Und dies seit einiger Zeit.

Bereits im Jahr 2012 hatte ich auf einem Kongress über die Probleme der Möbelbranche in der digitalen Wirtschaft gesprochen. Die Studien zum Thema gab es damals schon, weitere folgten mit identischen Ergebnissen. Auch beim 6. INSIDE Branchen-Gipfel im vergangenen Mai, also zwölf Jahre später, habe ich die Analyse wiederholt. Denn Studien zeigen, beim Küchen- und Möbelkauf kommen nach wie vor Service und Beratung zu kurz. Die IFH-Studie „Konsumenten und Möbelhäuser – eine Hassliebe in drei Akten“ aus dem Jahr 2019 hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt. So sieht es aus. Seit 2012 hat sich in der Branche kaum etwas verändert. Ausnahme: XXXLutz ist noch größer geworden.

Der Möbelhandel hat ein grundlegendes Problem: Er hat bislang die digitale Transformation verschlafen. Und während Online, bzw. E-Commerce, bei vielen schon nicht läuft, ist Social Commerce in noch weiterer Ferne. Von den Umwälzungen der kommenden zehn Jahre sprechen wir dabei noch nicht einmal. 80 Prozent der Kaufvorbereitung, also die wichtigen Impulse zum Kauf, werden heute bereits in Social Media getroffen, sagen Studien. Und: 30 Prozent der deutschen Kunden würden Möbel im Metaverse kaufen – auch das sagen sie bereits jetzt in Um­fragen.

Abgleich mit der Realität? Möbelhersteller und Möbelhändler verfügen über kaum Reichweite. Und da, wo die Follower-Anzahl einigermaßen geht, gibt es keine relevante Engagement-Rate. Für die Konsumenten hat das alles also kaum Relevanz, der Content interessiert sie nicht. Dabei können andere Branchen das deutlich besser, Menschen erreichen und begeistern. Auch wenn die Automobilbranche spätestens in diesem Jahr in eine große Krise gefahren ist: Wie man exakt zielgruppengenau die Käufer erreicht, das haben Automarken in den letzten Jahren und Jahrzehnten erfolgreich gezeigt. Auch die Textil- und Modebranche ist eine, von der die Möbelbranche lernen kann.

Nicht überragende Einkaufserlebnisse

Nicht falsch verstehen: Ich anerkenne die große Erfahrung, die es im Möbelhandel gibt. Doch der Markt hat sich verändert. Fragen Sie doch mal Google oder ChatGPT: „Wie sehen Kunden den Möbelhandel, was ist ihnen am wichtigsten?“ Auffällig: Überall wird die Branche negativ besprochen, Studien inklusive. Beziehungsweise: Das Einkaufserlebnis wird von den Kunden als nicht überragend angesehen – außer bei Ikea. Auch Westwing liefert den Kunden, was sie wollen. Das Erfolgsmodell lautet, du suchst etwas aus und nimmst es mit – und das weltweit und unkompliziert. Aus Sicht dieser Anbieter wird auch auf deutlich weniger Modelle und Komplexität gesetzt.

Für den überwiegenden Rest der Branche gilt aber leider: Wir liefern dem Kunden bestenfalls das, was wir meinen, was er will. Das ist eine Versorger-Mentalität, die nicht funktioniert. Denn Kunden denken in Stilwelten. Hat schon Birkenstock-CEO Oliver Reichert der Branche auf dem 3. INSIDE Branchen-Gipfel in einem legendären Bühnenauftritt ins Stammbuch diktiert. Und dann? Viele haben zugehört. Und weitergemacht wie immer.

Obwohl der eine der Landhausküchen-Typ ist und der andere der Echtholzmöbel-Typ. Oder – nach Sinus-Milieus aufgeschlüsselt: Die einen sind die Performer, die anderen sind Sparfüchse. In diesen Stilwelten möchten Kunden sich bewegen. Gemeinerweise kann man aber nicht alle gleichzeitig abholen.

Die triste Realität:

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