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Ein Besuch auf der K5

Der bange Blick nach Osten

04.07.2024 | 12:37
Stefan Wenzel, Ed Sander, Alexander Graf

Es waren viele chinesische Elefanten im Estrel Hotel. Denn auf der K5, der führenden E-Commerce-Konferenz im DACH-Raum mit inzwischen knapp 20 Prozent Besucherquote aus der Einrichtungsbranche, drehte sich am 25. und 26. Juni im Berliner Estrel Hotel vieles um Temu, Shein, TikTok & Co. An den asiatischen Online-Giganten arbeitet sich die deutsche E-Commerce-Szene derzeit ab, wie einst der deutsche stationäre Handel an den Online- Newcomern à la Zalando. Welche Konsumwelle rollt da aus dem Osten auf die westliche Konsumwelt zu? E-Commerce-Allrounder Stefan Wenzel behauptete gar: „Das ist keine Welle – der Meeresspiegel steigt.“ Wer wird also durch diese Springflut kommen?

Die Rangliste der in diesem Jahr (außerhalb Chinas) generierten Umsätze der großen asiatischen Online-Plattformen sprengt die uns bekannten Dimensionen: Shopee 93 Mrd Dollar, AliExpress 90 Mrd Dollar, Shein 63 Mrd Dollar, Temu 60 Mrd Dollar, TikTok 50 Mrd Dollar. Das Erfolgsrezept: Die Plattformen vermitteln lediglich die Bestellungen, die Hersteller liefern direkt an die westlichen Konsumenten. Alle Zwischenstationen, an denen bisher entlang der Wertschöpfungskette mitverdient wurde – Lager, Zwischenhändler etc. – werden eliminiert.

Das drückt die Preise auf ein Minimum. Zollschlupflöcher werden dabei zum gigantischen Einfallstor für die Ware aus dem Osten, denn bis zu einem Warenwert von 150 Euro ist sie zollfrei und der Durchschnittswert der Pakete aus Asien liegt meist deutlich darunter. Wenn nicht, wird die Bestellung ganz einfach in mehrere Pakete aufgeteilt. Nach Angaben von Branchenkennern fliegen Shein und Temu jeweils 4.000 bis 5.000 Tonnen Güter pro Tag aus. Anders ausgedrückt: Täglich heben mehr als hundert Frachtmaschinen vom Typ Boeing 777 mit Fast Fashion und Gebrauchsgütern made in China ab. Wie verrückt ist diese Welt?

Die größten Kopfschmerzen beim Blick auf diese Luftbrücke aus dem Osten dürfte wohl Amazon haben. Markus Schöberl, Director Seller Services, hatte auf die Fragen zum Wettbewerb aus Asien aber nur eine nach seiner eigenen Einschätzung langweilige Antwort parat: „Was uns beschäftigt ist Customer Obsession, das Dreieck aus Preis, Sortiment, Verfügbarkeit.“

Ob das reicht? Denn Amazon greift für einen nicht unerheblichen Teil des Sortiments auf die gleichen Hersteller in China zurück wie Temu oder Shein. Die Preisunterschiede sind allerdings immens: Es gibt nicht wenige Artikel, die auf chinesischen Plattformen nur ein Zehntel dessen kosten, was sie bei Amazon kosten. Dafür warten die Besteller dann auch gern drei Wochen auf ihr Schnäppchen-Päckchen.

Und als hätte Jeff Bezos die Warnungen aus Berlin erhört, machte Amazon nur einen Tag nach der K5 mit einem Gegenangriff Schlagzeilen. Schon bald soll es eine neue Amazon- Verkaufsplattform für Mode- und Lifestyle- Produkte geben, auf der chinesische Anbieter ihre Produkte direkt an US-Konsumenten verkaufen und versenden können. Lagerhaltung adé! Das wiederum würde die Lieferzeiten verlängern, aber die Kosten erheblich senken. About You möchte in Bezug auf No-Name-Ware einen ähnlichen Weg gehen, wie Tarek Müller verriet – allerdings bevorzugt mit Lieferanten aus Europa.

Eine Sintflut voller Ramsch Der China-Analyst Ed Sander warf auf der K5 einen Blick hinter die Kulissen von Temu und prognostizierte die nächsten strategischen Schritte. Seine Analyse zeigt: Noch ist Temu mit einem Marketing-Budget von 3 Mrd Dollar hoch defizitär (-27 Prozent), aber das Geschäftsmodell sollte deshalb nicht als „Ramschladen für die Erste Welt“ abgetan werden. Noch nie ist eine App in vielen Ländern in so kurzer Zeit

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