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Vordenker, Strategen, Kreative: Die Chancen im Premiumsegment (1)

Daten sind das neue Gold

31.03.2021 | 10:34

Gewinn gesteigert, trotz Umsatzminus: Zum Start der INSIDE-Serie „Die Chancen im Premiumsegment“ beleuchten wir, wie sich Walter Knoll erfolgreich in die Zukunft aufmacht. Daten und Digitalisierung spielen eine zentrale Rolle.

 

Nach vielen Jahren, in denen Walter Knoll nicht nur auf dem Weg zum Einrichter weiterkam, sondern sich zu fast 90 Mio Euro Umsatz schraubte, wurde es 2018 in Herrenberg schwieriger. Der Umbau wurde dann vor Corona schon vorangetrieben. Markus Benz erklärte die Digitalisierung zur Chefsache. 2020 in der Bilanz: wieder schwarze Zahlen.

 

16 Uhr, Montagnachmittag. Das Handy klingelt. Markus Benz ist dran. Schwaben sind pünktliche Menschen. „Wir könnten doch auch schnell facetimen“, sagt Benz. In Zeiten von Teams und Zoom wirkt der Facetime-Anruf schon fast wie ein Anachronismus. Wie wird Markus Benz später sagen: „Die Digitalisierung ist ein neues Hamsterrad.“ Immer weiter, nie fertig. Auch ein Mittelständler wie Walter Knoll erschaffe da einen Riesen, einen großen Daten-Riesen, sagt Benz. Facetime also. Der Walter-Knoll-Inhaber sitzt vor einer großen Bücherwand. Der Outsider in seiner Wohnküche, Handy und Laptop vor der Nase. Die Kinder klopfen an die Tür, haben Hunger. Schöne neue Homeoffice-Welt.

 

Der Edelpolsterer aus Herrenberg, der schon lange so viel mehr als Polstermöbel macht, hat einen großen Umbruch hinter sich. Personell, strukturell, entwicklungs- und IT-technisch. Benz sagt es so: „Ich hatte immer das Gefühl, es kann nach diesen vielen erfolgreichen Jahren irgendwann eine große Krise kommen. Ich wollte unbedingt davor den notwendigen Umbau bei uns im Haus angestoßen haben. Wir hatten Glück, dass wir damit vor Corona begonnen haben.“ Am 27. Mai wird Markus Benz 60 Jahre alt. Vater Rolf Benz ist – zwei Mal geimpft – mit 87 Jahren rüstig und zuversichtlich, wie man hört. Markus Benz selbst konzentriert sich mehr auf strategische Fragen in Herrenberg – und hat die Digitalisierung zum Chefthema gemacht. Er hält das Standardwerk „Eins oder null“ von Jürgen Meffert und Heribert Meffert in die Handykamera. Das Buch habe ihn damals geradezu unter Strom gesetzt, sagt Benz. Das hatte Folgen in Herrenberg. Die Daten sind hier nun das neue Gold.

 

Die Plattform Pcon aus dem Hause Eastern Grafics, der Konfigurator und Planer mit AR-Applikation, stünde heute sicher nicht da, wo er für die Premium- und Objektliga in der Planungsleistung für Architekten und Objektkunden heute rangiert, hätte Markus Benz nicht vor einigen Jahren das Potenzial erkannt. Als neues PIM wurde Censhare etabliert in Herrenberg, Salesforce ist aufgesetzt im Haus. Daten, Daten, Daten. Benz: „Der hochwertige Markt ist ein Beratungsmarkt, in dem man heute neue Instrumente braucht. Die Digitalisierung schafft ein neues Kundenerlebnis. Ohne Daten kein neues Produkt.“ Das Tagesgeschäft in Herrenberg liegt vorwiegend in den Händen der neuen Führung, die in den Jahren 2018 und 2019 etabliert wurde. Die kaufmännische Leitung hat Daniel Daniels inne. Im Vorstand sitzen Benz, Werner Maier als Chief Sales Officer und der ehemalige Vitra-Mann Gerrit Simons für Operations. Oliver Bayerl hat als Sales-Chef im Wohnen vieles neu strukturiert. Das Fleiner-Abenteuer in Stuttgart, einst aus der Insolvenz mit einer deutlich zu großen Verkaufsfläche übernommen, wurde auf einen 300 qm großen Architare-Shop mit digitalen Beratungshelfern in der Stuttgarter Innenstadt in der Dorotheenstraße reduziert. Vor-Ort-Planung kann in Nagold laufen, in der von Markus Benz‘ Schwester Barbara Benz geführten 2.700 qm großen Architare-Dependance.

 

Mehr eigenen Fachhandel will man nicht im Hause Walter Knoll. Rund um Stuttgart, da sei das okay, wegen der regionalen Verwurzelung, sagt Benz. Die Fachhandelspartner in der ganzen Welt seien das Pfund. Das hören die sicher gern. In DACH sind es rund 180, weltweit kommen weitere 170 Handelspartner dazu. Wie schwer es ist, am Point of Sale rentabel zu wirtschaften, das haben Benz und sein Team bei Fleiner gesehen. Das Reduzieren der Fläche in Stuttgart sei – neben einigen anderen Themen – ein wesentlicher Hebel gewesen, um 2020 wieder Gewinne zu erwirtschaften. Obwohl der Walter-Knoll-Umsatz 2020 um knapp 15 Prozent zurückgegangen ist. Walter Knoll macht rund zwei Drittel des Umsatzes im Objektgeschäft, ist sehr exportorientiert. Und das Lizenzmöbelgeschäft hat 2020 Federn gelassen. „Weggetrieben hat es uns aber eigentlich ein bisschen davor“, sagt Benz. Dann der Umbau. Es wurde an vielen Schrauben gedreht in Herrenberg. „Jetzt haben wir wieder alles aufs harte Holz zurückgeführt. Wir investieren in Produkt und Daten.“ Rund 70 Mio Euro hat Walter Knoll mit rund 300 Mitarbeitern 2020 gemacht – und Gewinn. Benz: „Wir haben uns 2020 nach dem strukturellen Umbau wieder auf das Geschäft konzentrieren können.“ Im Wohnen ging es unter Bayerl um 20 Prozent nach oben im vergangenen Jahr. Im ersten Quartal 2021 liege man im Auftragseingang leicht über Vorjahr.

 

„Das ist gerade eine wichtige Unternehmerzeit“, sagt Benz. Das Neuerfinden, das Einziehen der vielen neuen, meist digitalen Leitplanken mache Spaß. Den will er seinen beiden Kindern vorleben. Sie haben offenkundig Interesse, auch wenn beide noch nicht im Unternehmen sind. Wie sehen Sie die Perspektiven im Premiumsegment? „Gut“, sagt Benz, der Markt stecke voller Chancen. Die Konzentration im Markt ist das eine. Design ist längst nicht mehr automatisch teuer. Aber die sich weiter wandelnde Grundhaltung bei vielen Kunden, nachhaltige und langlebige Produkte zu kaufen, das sei die eigentliche Chance im hochwertigen Einrichten. Benz: „Billig und nachhaltig, das passt nur selten zusammen.“ Ressourcenarme Möbel, nachhaltige Materialien wie Sattelleder und vieles mehr: Die Aufgabe fürs Produktmanagement in Herrenberg ist definiert. Und wie zeigt man das alles in einer Corona-Welt ohne Messen? Mailand im September spielt in den Planungen in Herrenberg keine Rolle. Das Thema Messen? Benz: „Es schreckt mich nicht. Der Wechsel im Kopf hat stattgefunden.“ Dann verweist Benz auf die „erfolgreichste Produkteinführung in der Walter-Knoll-Geschichte“im vergangenen Herbst, ganz ohne Messen. Der Stuhl Sheru hat das geschafft, fast nur digital.

 

Natürlich brauche es Orte, an denen man in Zukunft wieder persönlich zusammenkomme. Wie diese Orte aussehen müssten, wisse er auch noch nicht. Er habe da aber keinen Druck. Benz: „Zumindest wohl doch nicht mehr in diesen Dimensionen, wie wir das früher in Mailand oder Köln gemacht haben.“ In einem sei er sich sicher: „Allein schon aus Umweltgründen werden wir unsere Kunden nicht mehr um den halben Planeten schicken.“ Eine Mischung aus analogen und digitalen Lösungen müsse gefunden werden. Benz: „Wir brauchen eine neue Leistungsfähigkeit. Die Frage, wie wir Leads organisieren, wie wir mit Kunden in Kontakt treten, es muss noch vieles neu organisiert werden.“

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