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Plötzlich wieder eine Perle?

Ein Besuch bei Loddenkemper

27.06.2022 | 10:20

Keine vier Jahre nach der Wiemann-Übernahme ist der einstige Sanierungsfall Loddenkemper moderner unterwegs. Die Objektsparte soll ausgebaut werden und künftig mehr zum Umsatz beitragen. Ein Besuch in Oelde.

 

Im Herbst 2018 hatte Familie Wiemann ihren ganzen unternehmerischen Mut zusammengenommen und kaufte trotz vieler gut gemeinter Ratschläge sowohl Femira als auch Loddenkemper aus der Hüls-Gruppe raus. Loddenkemper war damals ein Millionengrab. Es gab nicht mehr viele zu der Zeit im Markt, die einen Pfifferling auf den einst von Karl-Werner Loddenkemper groß gemachten Produzenten gegeben hätten.

 

Besuch in Oelde, kurz vor Pfingsten: Der Sanierungskurs an den beiden Loddenkemper-Standorten in Herzebrock-Clarholz und am Stammsitz in Oelde wurde nachhaltig forciert. Die Fertigung war „eine verstaubte Perle“, sagt Wiemann-Geschäftsführer Markus Wiemann. Jetzt, Anfang Juni, steht Wiemann mit den beiden Loddenkemper-Geschäftsführern Waldemar Bauer und Steffen Urbschat – letzterer seit Juni 2021 als Geschäftsführer an Bord – vor einer reisefreudigen Möbelfachjournalisten-Gruppe. An diesem Tag ist Oelde einer der Gastgeber, die auf der vom VDM organisierten Pressereise ihre Pforten öffnen. Vor der Tour übers 54.000 qm große Werksgelände gibt es einige Infos zur Lage, Gelegenheit zu Nachfragen. So offen präsentiert sich die Wiemann-Gruppe nicht immer; umso mehr Einblicke gibt es heute. Ein kurzer Gang durch die 2.500 qm große Ausstellung und eine Tour durch die Produktion werden noch folgen.

 

Bei Loddenkemper ist die Belegschaft stark angepasst worden. Bis zu 800 Mitarbeiter waren es einst an den Loddenkemper-Standorten, sagt Wiemann. Nun sind es 190. Für Femira arbeiten – etwa 12 Kilometer entfernt – 120 Menschen. Einiges ist geschafft. Die problematisch große Teile-Vielfalt haben sie in den Griff bekommen, meinen Urbschat und Bauer. Zwischen Vertrieb und Produktion habe irgendwann das Verhältnis nicht mehr gestimmt. In den Werkshallen hat das in der Vergangenheit zu gewaltigen Problemen geführt. Nun ist man auf 6.900 Bauteile herunter. Geblieben sind aber auch Alleinstellungsmerkmale. Eine maßgenaue Fertigung bis 2,6 Meter Höhe, die seit drei Jahren laufende Losgröße-1-Fertigung, die erst 2020 modernisierte Lackieranlage (Loddenkemper nutzt ausschließlich UV-Lack). Die Wiemänner sprechen jetzt von Produktivitätsverbesserungen pro Produktionslinie, gestiegenem Umsatz pro Mitarbeiter, einer signifikanten Erhöhung der Eigenfertigungsteile. Alles Argumente, die überzeugen sollen. Natürlich auch beim Rundgang durch die Hallen, aus denen täglich 55 Schlafzimmer kommen.

 

Über die Wiemann-Gruppe ist die Logistik organisiert. Da müsse man schon allein bei der LKW-Fracht gute Arbeitsbedingungen bieten, sagt Technik-Geschäftsführer Bauer vor dem Start des Rundgangs. Denn die Fahrer möchten gerne maximal zwei oder drei Tage in der Woche die besonders langen Touren fahren. Natürlich weiß man auch bei Loddenkemper, dass die Journalistentruppe tags zuvor bei Nobilia zu Gast war, mit seiner großen weißen Flotte natürlich einer der begehrten Arbeitgeber. Für den Nachwuchs tun sie mittlerweile auch einiges in Oelde, derzeit sind es neun Auszubildende. Denn, auch das gehört zur Realität, das Durchschnittsalter der Loddenkemper-Beschäftigten ist überdurchschnittlich hoch. Das ist ein Problem, das kann aber auch eine Chance sein, in diesen Zeiten. Stichwort: Erfahrung. Stichwort: Natürliche Fluktuation. Am Ende des Rundgangs gibt’s Gelegenheit mit zwei Azubis zu sprechen, deren Lehrwerkstatt nahe der Herstellung ist. Rund 15 Jahre hatte es bei Loddenkemper keine Ausbildung gegeben. Lehrling Eduard Senger arbeitet gerade an einem Werkstück. Der 19-Jährige ist einer von zwei Holzmechaniker-Azubis, die gerade hier arbeiten. An den Werkbänken lernen die jungen Mitarbeiter, mit Spitzbohrer, Simshobel oder Holzhammer zu arbeiten. Wie bei den Industriekaufleuten setzt Loddenkemper inzwischen wieder auf eigene Nachwuchsgewinnung und -förderung.

 

Einstieg in den Objektbereich

 

Erneut wird nach dem Rundgang über's Geschäft gesprochen. Auch Loddenkemper hat natürlich unter dramatisch gestiegenen Kosten beim Einkauf und bei der Fracht zu leiden. Schäume, Gläser, Verpackungsmaterial; vieles ist teurer geworden. Und Markus Wiemann warnt: „Die Nachfrage geht gerade in den Keller, besonders im Preiseinstiegsbereich.“ Zwar verkaufen die Ostwestfalen in einem Preissegment, in dem derzeit trotz Inflation, Krieg und Verwerfungen auf den Weltmärkten noch eher Konsum-Bereitschaft herrscht. Aber, so Wiemann: „Auch beim typischen Loddenkemper-Kunden wird es enger.“

 

Die Zielgruppe in Oelde: Zweit- oder Dritteinrichter, die beispielsweise zwischen 6.000 und 8.500 Euro für einen Schrank ausgeben wollen. Der Bereich Wohnzimmer bringe zwischen 7 und 8 Prozent vom Umsatz, heißt es. Über die Segmüllers wird viel verkauft. Mit XXXLutz, Höffner und Hardeck sind weitere wichtige Handelspartner an Bord. Von 2019 bis jetzt wurde der Exportanteil – nach Umsatz – verdoppelt, von 6 auf 12 Prozent. Ein weiteres Geschäftsfeld soll ebenfalls stark ausgebaut werden, der Objektbereich, einst angetrieben von Femira-Legende und Loddenkemper-Herzblut-Manager Jürgen Merkelbach, der beratend weiter dabei ist und in Asien was gewaltig Neues für Loddenkemper aufreißt.

 

Vom derzeit einstelligen Anteil am Umsatz soll die Objektsparte auf einen Anteil zwischen 10 und 15 Prozent hochgehen. Eines der neuen Projekte ist die Ausstattung einer Filiale der Zürcher Kantonalbank (ZKB), für die sehr individuelle Lösungen produziert wurden. Mit Hotels hat Loddenkemper ebenfalls die ersten Verträge geschlossen. Soll für einen „gesünderen Umsatz“ sorgen, sagt Wiemann. Auch die White-Label-Herstellung ist seit der Übernahme ausgebaut werden. Gefertigt wird für Musterring, Joop und die Kollektion von Schöner Wohnen.

 

 

Von Nobilia bis Cor: Auf VDM-Pressereise

 

Vier Hersteller in zwei Tagen: Ende Mai hatte der VDM Journalistinnen und Journalisten zur Pressereise „Möbelland Ostwestfalen“ gebeten. Auf dem Programm standen Besuche bei Nobilia, Loddenkemper, Sudbrock und Cor. Gespräche mit Inhabern oder Geschäftsführern, Werksführungen und Besichtigungen der Showrooms gehörten zum minutiös getakteten Ablauf. Dabei blieb auch immer wieder Zeit für kleine Außergewöhnlichkeiten. Wer etwa den berühmten Bauernhof mitten auf dem Nobilia-Gelände noch nicht real gesehen hatte oder deren dortige private Autobahnbrücke noch nicht kannte, war danach um ein paar Eindrücke reicher. Das baulich eingekesselte Bauern-Gehöft kann man als Symbol sehen. Denn auch auf den anderen Teilen des Megabetriebs war schnell klar: Hier wird jeder Quadratzentimeter gebraucht. Ob für zusätzliche temporäre Stellflächen für Produkte und Vorprodukte, Erweiterungen der Produktion: Auch bei Cor gibt es in der Fläche kaum Möglichkeiten für Erweiterungen. Dass nach oben Luft ist, wenn man in die Vertikale baut, ist nur da ein Trost, wo man sinnvoll so bauen kann. Etwa beim Hochregallager von Nobilia, dessen Dimensionen mit 79 Meter Länge, 36 Meter Breite und einer Höhe von 21 Meter schon beträchtlich sind. Und nicht jeder Hersteller kann oder will Werke ganz anderswo bauen, wie Nobilia dies in Saarlouis getan hat. Cor-Inhaber Leo Lübke drückte es so aus: „Wir platzen aus allen Nähten.“ Allerdings wolle man unbedingt an einem gemeinsamen Standort für alle Bereiche des Unternehmens festhalten.

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