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Überstanden

Der INSIDE-Jahresrückblick 2021 (1)

26.12.2021 | 14:58

„Das Auge ist blau, aber es ist noch drin“. Dieses auf den Herbstmessen 2020 aufgeschnappte Zitat passt auf 2021 so gut wie aufs Vorjahr.
 

Die Möbelbranche hat das zweite Corona-Jahr vergleichsweise gut überstanden – trotz monatelanger Geschäftsschließungen. Die Umsätze, auch wenn sie in den letzten Monaten je nach Produktgruppe wieder etwas abgesackt sind, sie sind nicht das Problem der Branche. An die Substanz gehen inzwischen die gesprengten Lieferketten und uferlose Kostensteigerungen. Lieferfähig bleiben ist das Gebot der Stunde. Verrückt: Ein großer Küchenmöbelhersteller fährt mit rund 100 Transportern durch die Republik, um Fehlteile nachzuliefern.

 

Wie in der Gesamtwirtschaft blieb die Zahl der Insolvenzen gering. Zum Jahresende hin zeigte sich beim französischen Zerlegtmöbler Demeyère und beim Rothenburger Arbeitsplattenhersteller Lechner beispielhaft aber noch, was die Zuliefersituation auslösen kann: Wer ohnehin schon angezählt ist, steckt die Materialpreiserhöhungen und Schwankungen bei der Belieferung nicht mal so eben weg. Höhere Kosten werden nicht nur durch höhere Einkaufspreise verursacht. Mehr auf Lager zu nehmen kostet, Personalausfälle durch Quarantäne oder Krankheit ebenso. Die Konzentration wird weitergehen, auch im Handel.

 

Das Jahr 2021, das mit einem Sturm aufs Kapitol schon mies begonnen hat, bevor im März tagelang ein Containerschiff den Suezkanal blockierte und weltweite Transportströme durcheinanderbrachte, das Jahr 2021 also geht zu Ende und die Möbelaktivitäten der Familie Tessner gehören zur Hälfte Lutz, der sich auch in der Schweiz und Frankreich allmählich anschickt, die Nummer 1 zu werden. Online-Möbel-Marktführer ist seit diesem Jahr allerdings Ikea. Familie Krieger wäre gern der Begros beigetreten. Dass das heuer noch was wird, ist unwahrscheinlich.

 

Aber war ja auch nicht alles Mist, in diesem Jahr. Einem langen Lockdown folgten ein nahezu normaler Sommer und nahezu normale Herbstmessen. Und: Die Digitalisierung fasst endlich Fuß in der Branche. Digitale Tools werden jetzt fest in den Abläufen verankert, dienen nicht mehr nur zur Überbrückung. Ein chronologischer Rückblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

 

Januar: Die Opti-Verdoppelung

Der Jahresstart hatte in den letzten Jahren oft mit einem Lutz-Coup begonnen. In diesem Jahr war es ein Deal von Familie Fösts Opti-Gruppe, mittlerweile ein Begros-Schwergewicht, der einen Lutz-Deal auf die Reise brachte: Opti hat der Tessner-Gruppe 21 Möbelhäuser abgekauft, damit mal eben den eigenen Umsatz verdoppelt und den Weg frei gemacht für das Lutz-Tessner-Joint-Venture. Angesichts der geballten-Giga-Macht braucht es einen Gegenpol – finden die, die nicht der wachsenden XXXL-Familie angehören: KHG will wieder in die Begros und dort über eine Milliarde ZR-Umsatz auf einmal in die Waagschale legen. Zu diesem Zeitpunkt ist man in Schönefeld noch optimistisch, dass das Kartellamt keine allzu großen Einwände hat gegen den Beitritt. Währenddessen fällt die IMM Cologne ins Wasser und die Geschäfte sind deutschlandweit, ach was, europaweit geschlossen. Die zweite Corona-Welle war das. Während heute viele von uns schon die dritte Impfstoff-Spritze intus haben – ein buntes Gemisch aus Biontech, Moderna, Astra oder Johnson & Johnson, war die Impfkampagne im Januar gerade erst in den Startlöchern, die zweite Welle auf dem Höhepunkt, Corona-Hilfen in weiter Ferne. Frustrierte Möbelhändler behalfen sich mit Drive-ins. Vorm Spilger in Obernburg bildeten sich lange Schlangen, weil FFP2-Masken im Angebot waren.

 

Erst gegen Ende des Monats werden regional Einzeltermine möglich gemacht. Küchenstudios kommen gut klar damit, für die Großfläche hält das Desaster an. Auf dem Titel unseres ersten Januarhefts: Familie Kriegers Plattform-Pläne und das Beiboot Sofa.de. Und ebenfalls im Umschlag: Ein dickes, fettes, analoges INSIDE Spezial Neue Ideen im Zeitungs-Großformat, an dem wir auch für die kommende Januarausgabe 2022 wieder arbeiten. 

 

Februar: Der Lockdown zieht sich

Brief um Brief senden Industrie- und Handelslobbyisten vor den erneuten Bund-Länder-Gesprächen nach Berlin, es wird auf Social Media geliked und geteilt, im TV berichtet. Aber: Die deutschen Möbelhäuser bleiben zu. Dieter Meise verkauft seinen Bettenspezialisten aus Kirchlengern an den Unternehmer Klaus Bellingroth. Bei Hettich brennt die Galvanik ab, Otto meldet ein Umsatzplus von 50 Prozent bei Möbeln und der Arbeitsplattenhersteller Lechner macht sich auf Investorensuche. Unterdessen verschärfen sich die Verfügbarkeitsprobleme bei allerhand Waren und Vorprodukten, selbst bei Verpackungsmaterialien. Ein INSIDE-Titelschwerpunkt im Februar: die zunehmende Bedeutung von Direct-to-Consumer-Marken und die Schwierigkeiten, die etablierte Marken haben, solche D2C-Marken aufzubauen. Kaum eine Branche hat das Zu-Hause-Bleiben derart umgewirbelt wie die Office-Welt. Die bereitet nun Konzepte für die Zeit nach Corona vor.

 

März: Click & Meet

Endlich wird das Bamberger Konventionalstrafen-Urteil in der Sache Wettbewerbszentrale gegen Giga verkündet. Überraschenderweise gehen nur Sieger aus dem Prozess hervor: Sowohl die Zentrale als auch der Verband legen das Ergebnis für sich als Erfolg aus. Einem Rechtsstreit will auch Emma mit dem vormaligen Dauer-Testsieger Bett1 nicht aus dem Weg gehen und macht eine Anzeigenkampagne in der Bild-Zeitung draus. Nolte Küchen hat Investitionen im Werk Melle vor und kauft die Reste der britischen In-Toto Kitchens. Und eine neue Worterfindung erobert die Republik: Ab März rollt eine „Click & Meet“-Welle übers Land, die später nur von dem Un-Begriff „Click, Test & Meet“ getoppt werden soll. Der März, er markiert auch das Ende des zweiten Lockdowns – allerdings soll es ein kurzer Frühling werden. Ziemlich fix gehen die Infektionszahlen wieder durch die Decke. Um Beruhigung reinzubringen, überlegt sich die Politik in einer der berüchtigten, bis in die Morgenstunden dauernden Sitzungen die „Osterruhe“ als Zwischenlösung. Das ganze Land über die Osterfeiertage für eine knappe Woche zum Stillstand bringen und so Infektionsketten unterbrechen – gute Idee, solange man nicht tiefer eintaucht in die Funktion von Lieferketten und Produktionsstätten. So dauert es auch keine 48 Stunden, und die Schnapsidee wird zurückgenommen. Derweil läuft die Impfkampagne zaghaft weiter, Frühjahrsmessen müssen wieder gecancelt werden; der Lockdown scheint kein Ende zu nehmen.

 

Nach x Lockdown-Titeln ist im zweiten März-INSIDE mal ein erfreulicheres Thema auf dem Cover: Walter Knoll-Chef Markus Benz und sein Blick nach vorn. Im Spanplatten-Beschaffungsdrama gehen wir auf Spurensuche: Wohin geht das ganze Zeug? Dass sich die Liefersorgen so schnell nicht auflösen werden, kommt auch bei der digitalen Bilanzpressekonferenz der BSH-Gruppe durch – es ist ein „Kampf um jede Einheit“, sagt COO Dr. Silke Maurer.

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