Aus allen Nähten 1
Die Brüder Maximilian und Nicki Kirchner haben in den vergangenen 13 Jahren im oberfränkischen Ebersdorf ein 150 Mitarbeiter starkes Unternehmen aufgebaut. Seit der Gründung im Jahr 2008 wurde beim Onliner Delife stetig expandiert. Läger wurden angemietet bis in den Nachbarkreis. Fürs künftige Wachstum heißt es nun: zentralisieren.
„Wir sind eigentlich immer um 20 bis 30 Prozent gewachsen, aber letztes Jahr war der Wahnsinn.“ Das sagte Maximilian Kirchner am vorletzten Freitag in einer kurzen Rede vorm Firmensitz in Ebersdorf, wo sich neben Lokalzeitungen auch regionales Radio und TV einfanden. In Ebersdorf hat Delife sich bekanntlich im früheren Eschi-Sitz eingemietet und betreibt dort seit vergangenem Jahr auch einen 3.000 qm großen Showroom mit Verkauf an Endverbraucher (INSIDE 1093). Die Umsätze im stationären Geschäft vor Ort liegen bei fast 5 Prozent vom Gesamtumsatz, zwei Verkäufer wurden eingestellt. Geplant, das muss man auch sagen, war das nicht vom Start weg.
Man sah es an den Reaktionen der anwesenden lokalen Polit- und Wirtschaftsprominenz: So eine Ausstellung ist für Endverbraucher unter den Möbelkäufern kein Standard in der Region. Noch mehr Frequenz soll jetzt über lokale Werbung in den Laden kommen. Bekannt machen soll den Showroom neuerdings unter anderem Buswerbung. Zusammengefunden hatte man sich an dem kühlen Oktobermorgen aus folgendem Anlass: Delife hat als einer von zwei Möbelhändlern – auch die zur Weko- Gruppe gehörende Raumschmiede war unter den Preisträgern – den vom bayerischen Wirtschaftsministerium ausgelobten Preis „Bayerns Best 50“ gewonnen. Diesen Preis in Form eines filigranen Porzellanlöwen erhalten besonders wachstumsstarke Mittelständler im Freistaat, „die in den letzten Jahren die Zahl ihrer Mitarbeiter und ihren Umsatz überdurchschnittlich steigern konnten“.
Nachdem man um Coburg herum über Jahre der Schrumpfung der oberfränkischen Polstermöbelindustrie zuschauen konnte – ein Trend, der sich im Übrigen aktuell nicht fortzusetzen scheint –, ist es verständlich, dass eine solche Auszeichnung für ein Ebersdorfer Möbelunternehmen eine große Sache ist für die Region. So kamen zur lockeren Feierstunde bei Bierchen, Brotzeit und selbstgeschossenem Eber am Spieß dann auch diverse Lokalpolitiker und Wirtschaftsbeauftragte, die ihrer Freude über so viel lokale Wirtschaftskraft Ausdruck verliehen. Von Ebersdorfs Erstem Bürgermeister Bernd Reisenweber wurden den Kirchners als Glückwunsch zwei Stoff-Wildschweine überreicht. Zitat: „Was ist der bayrische Wirtschaftslöwe gegen den Ebersdorfer Wirtschaftseber?“
Mit Logistikengpässen und Preiserhöhungen im zweistelligen Bereich hat es auch Delife zu tun, klar. Die höheren Preise müssen weitergegeben werden, was teilweise dazu führt, dass das Budget von Kunden schlicht an seine Grenzen kommt. Wegen der Engpässe speziell in der China-Logistik setzt Delife im Preiseinstieg nun stärker auf Osteuropa und Vietnam. Mit 30 bis 40 Prozent geben die Kirchners den Asienanteil am Sortiment an. Seit ein paar Monaten ist Heinrich Heffels (früher Hülsta, Home24, VME) bei Delife als Einkaufsleiter an Bord. Aktuell baut Heffels in Ebersdorf sein Team auf. Steht das, soll er mit Nicki Kirchner in der Beschaffung anschieben. Die Sortimentsschwerpunkte bei Delife liegen nach wie vor bei Massivholz- und Polstermöbeln, auch Boxspring wird mehr. Seit einigen Monaten gibt’s im Delife- Shop – online und offline – auch „lokale“ Produkte, sprich: Polstermöbel der Ebersdorfer Anbieter W.Schillig und ES Brand. Preislich sind die natürlich oberhalb des regulären Delife- Sortiments positioniert. Mit „Delife exklusiv“ soll es in Zukunft auch noch eine Linie dazwischen geben.
Ohne Grund hat man den oberfränkischen Onliner in München freilich nicht für die Auszeichnung ausgewählt. Was die Brüder in Ebersdorf hochgezogen haben, ist beachtlich: Rund 150 Leute sind im Unternehmen beschäftigt. Der Umsatz liegt inzwischen bei gut 40 Mio Euro, geplant waren fürs letzte Wirtschaftsjahr 2020/2021 (30. Juni) eigentlich mal 30 Mio. So ein Wachstum muss man auch erstmal verarbeiten, so ist fürs laufende Jahr eher Stabilität angesagt. Was im Geschäft mit Endverbrauchern ein Pfund ist, nämlich kurze Lieferzeiten, stellt die Organisation bei Delife mittlerweile auf den Prüfstand. Über zwei Drittel der Ware hat der Online-Händler auf Lager und liefert diese Artikel innerhalb von drei bis vier Tagen aus.
Die Lagerfläche von mehr als 50.000 qm verteilt sich inzwischen auf sechs Standorte, bis runter nach Michelau. Die Fragmentierung macht die Logistik nicht einfacher. Hat ein Kunde mehr als einen Artikel auf dem Bon, müssen die Produkte mitunter in Ebersdorf, in Weidhausen und anschließend in Michelau eingesammelt werden. Abhilfe soll ein zentraler Standort schaffen. Wo dieser entstehen soll, darüber wollen die Kirchners sich in den nächsten drei Monaten klar werden. Allein schon der Mitarbeiter wegen will man in der Region bleiben und auch nicht ins nahe Thüringen abwandern. Das Bauprojekt werden die Brüder aber voraussichtlich nicht allein stemmen, sondern würden einen Investor ins Boot holen. Hatte sich ja im vergangenen Jahr bereits angedeutet (INSIDE 1093). Interessenten haben einige vorgesprochen in den letzten ein bis zwei Jahren – aus der Region, aber auch Finanzinvestoren. Kommt es so weit, wird es wohl ein strategischer Investor sein, keine Kapitalgesellschaft.